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#SoSollWeb - Mein Traum-Netz

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My dear English speaking readers: This blog post is written in German. It is a response to Annette's call for ideas for how we want the web to be.

Ich bin im Fediverse auf HerrTommis Blogpost #SoSollWeb: Wünsche für die Zukunft des Webs gestoßen und darüber dann auf Annettes Aufruf, doch darüber nach zu denken, wie ein gutes Web aussehen sollte. Normalerweise schreibe ich auf Englisch, aber das hält mich nicht davon ab, auch mal was auf Deutsch zu schreiben. Danke für den Impuls, Annette!

Erinnerungen

Ich habe schon ein paar Mal darüber geschrieben wie ich mir ein ideales Web bzw. Social Media vorstelle: in meinem zweiten Blogpost und in meinem neuesten. (Beide Artikel sind auf Englisch.)

Als ich in den sehr späten 1990ern das Internet entdeckte, kam es mir vor wie ein Ort der unbegrenzten Möglichkeiten. Filme wie "Hackers" unterstützten dieses Gefühl. Es war ein Vibe.

Für mich war das Netz sofort ein Ort, an dem ich mich frei fühlte: Ich musste in kein Schema passen, keine Erwartungen erfüllen, ich konnte Dinge toll finden, für die ich offline schief angeguckt wurde, und ich konnte Gleichgesinnte finden. Es war die Zeit der Foren und persönlichen Webseiten. Es gab keine algorhitmisch gesteuerten Zeitleisten, es gab den RSS Feed, den man sich selbst zusammenstellte.

Natürlich gab es auch Arschlöcher und Ärger. Aber irgendwie hielt sich das in meiner Erfahrung in Grenzen. Gut moderierte Foren waren irgendwie normal. Und Diskussionen verliefen durchaus auch zivilisiert.

Das Web jetzt

Ist es pure Nostalgie, die mich und andere immer wieder an diese "guten, alten Zeiten" erinnern lässt? Waren wir einfach noch zu jung und unerfahren, dass wir die schlechten Seiten des Netzes und der Welt einfach noch nicht begreifen konnten und uns diese Zeit deshalb als so toll erscheint?

Vielleicht. Möglich sogar. Vielleicht aber auch nicht. Und was würde das auch schon ändern? Es ist trotzdem dieses alte Web, das ich mir zurück wünsche.

Und deshalb mache ich es mir selbt: Ich habe eine eigene Website, sehe mich als Teil der Personal Web Community (oder Small Web, Indie Web, etc.), nutze RSS um Blogs zu lesen und mein Social Media der Wahl ist das Fediverse.

Warum ist das Netz heute so wie es ist? Warum war es früher anders?

Ich glaube, vieles hat mit der Größe zu tun. Eine kleine Gruppe funktioniert oft ohne große Reibung. Konflikte können schnell gelöst werden. Aber je mehr Menschen zur Gruppe stoßen, desto mehr Reibungsflächen gibt es. Mehr Menschen können eine Bereicherung sein, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Dann passiert es irgendwann ganz unweigerlich, dass die Gruppe zerbricht. Das ist normal und ok. Offline finden diese kleineren Gruppen ihre Räume. Aber online scheint das anders zu sein. Denn wo soll ich schon anderes hin wenn es nur das eine X gibt?

Als das Internet noch klein war, war alles übersichtlicher, ruhiger, freier. Je mehr Menschen aber auf einer einzigen Plattform aufeinander trafen (wie Facebook, Twitter), desto heißer ging es her. Es wird eben schnell unübersichtlich und unmöglich gut zu moderieren.

Wie das Web sein kann - und schon ist

Das Netz, das ich mir wünsche, ist dezentral und besteht aus vielen kleinen unabhängigen Orten: Webseiten, Blogs, Foren, kleine bis mittlere Fediverse- oder andere Chat-Server. Kleine Gruppen können sich so vernetzen, bilden aber nicht gleich eine neue, einzelne, größere und damit irgendwan schwieriger zu moderierende Gruppe.

Das Tolle ist: Das gibt es schon. Für Menschen, die gerne selber aktiv werden möchten, d.h. vielleicht eine eigene Webseite bauen oder einfach persönliche Seiten und Blogs finden wollen, liste ich in meinen Links ein paar solcher Orte und Ressourcen auf. Das ist aber wirklich nur ein Startpunkt. Es gibt so viel mehr da draußen.

Was ich mir zusätzlich wünsche sind Anleitungen für absolute Anfänger, für Leute, die nicht aus dem Techniksegment kommen und keine der oft verwendeten Fachbegriffe kennen. Ich wünsche mir, dass z.B. Wissen über Git nicht als selbstverständlich angenommen wird und mehr an die wirklichen Neulinge gedacht wird. Ich zähle mich selbst auch dazu, obwohl ich einige Dinge schon kann. Diese Webseite zum Beispiel schreibe ich komplett von Hand. Aber wenn mir jemand sagt, "Schreib doch 'nen Pullrequest" bin ich raus. Auch das Einrichten einer eigenen Domain kann echt kompliziert sein, wenn man sich nicht auskennt und Tutorials die Fragen, die aufkommen, nicht behandeln.

Eine eigene Webseite haben ist einfach oft noch zu schwierig, ganz zu schweigen von einem eigenen Fediverse- oder E-mail-Server. (Wobei Managed Hosting da die Hürde ein wenig niedriger macht.) Und natürlich ist das auch nicht für jeden was. Nicht jeder will eine eigene Webseite betreiben und das sollte auch nicht unser Ziel sein. Wir sollten es aber allen, die mitmachen wollen, so einfach wie möglich machen. Da ist definitiv noch Luft nach oben.

Wie ich soziale Medien nutzen will

Oben habe ich meinen neuesten Blogpost schon verlinkt. Darin beschreibe ich, was ich konkret mache, um auf Social Media (für mich das Fediverse) eine gute Zeit zu haben. Dabei ging es mir hauptsächlich um das Ausschließen von Politik und Nachrichten aus meiner Timeline, ohne wichtige Stimmen zu blockieren oder ihnen zu entfolgen. Diese Themen belasten mich und ich möchte selbst entscheiden, wann ich mich mit ihnen beschäftige. Ich möchte hier nicht den ganzen Artikel übersetzen, aber eben diese oben erwähnen konkreten Schritte auflisten:

  • meine Wortstummschaltungsliste erweitern und optimieren, um entsprechende Posts auszublenden
  • selbst weniger politische Posts boosten, v.a. wenn keine Hashtags, Schlüsselwörter oder Inhaltswarnungen benutzt werden
  • selbst mehr Inhaltswarnungen und bessere Hashtags nutzen

Das ist natürlich ein Prozess. Aber in den Wochen, seit ich damit angefangen habe, sehe ich eine Verbesserung und werde selbst auch besser in der Nutzung von Inhaltswarnungen und Hashtags. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen an entsprechende Hashtags in ihren Posts denken. Z.B. #dePol wenn es um deutsche Politik geht.

Das gute Web beginnt offline

Es gibt Dinge, die jeder selbst umsetzen kann, um das Netz zu einem besseren Ort zu machen. Es gibt aber auch Rahmenbedingungen, die verändert und verbessert werden können. Wie so oft sind wir alle gemeinsam gefragt. Ich bin davon überzeugt, dass jeder seinen Ort im WWW finden kann.

Am allerwichtigsten scheint mir aber insgesamt, darüber zu reden. Offline. Mit Menschen, die wir kennen. Sie darauf aufmerksam machen, was es alles bereits gibt, wo sie es finden können und wie es geht. Bei Fragen und Problemen Hilfe anbieten. Das gute Web beginnt eben offline.

-Elena.

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